Ilija Jovanović
Mein Nest in deinem Haar / Moro kujbo ande ćire bal
Gedichte.
Romanes und Deutsch.
Geb. mit Schutzumschlag 132 Seiten
DRAVA 2011. ISBN: 978-3-85435-645-5
Neue Gedichte des vor kurzem verstorbenen Roma-Lyrikers Ilija Jovanović mit einem Nachwort der Literatur-Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.
Nachwort: Elfriede Jelinek
Kategorie: Literatur deutsch und fremdsprachig
Zum Buch:
In »gebrochenem Deutsch« spricht das lyrische Ich mit dem aufkommenden Tag, und dieser wundert sich. Wie ein roter Faden zieht sich die Erfahrung des Fremdseins, Nicht-dazu-Gehörens und Ausgestoßen-Werdens durch die Dichtung von Ilija Jovanović. Fast scheint es, diese in unzähligen Varianten durchlebte Erfahrung sei das einzige, worauf Verlass ist. Alles andere – die Momente des Aufgehoben-Seins, das Glück des Einsseins mit sich selbst und der Welt – bleibt prekär, hypothetisch, einer feindseligen Umwelt abgetrotzt. Ob der Autor schreibend in die von Armut geprägte Welt seiner Kindheit zurückkehrt, sich mit den Tücken des Alltags herumschlägt oder sich mit dem nahenden Tod auseinandersetzt, immer erzählen die Gedichte mit feinem Humor und tiefer menschlicher Empathie von der Suche nach seiner selbst im Anderen.
Anknüpfend an Ilija Jovanovićs Gedichte und im Dialog mit ihnen hält Elfriede Jelinek in ihrem Nachwort einer auf Fremden- und Minderheitenfeindlichkeit begründeten Gesellschaft den Spiegel vor.
Leseprobe/Aus dem Inhalt:
Jedes Mal wenn der Tag
neu geboren wird
und zu wachsen beginnt
spreche ich mit ihm
in meinem gebrochenen
Deutsch.
Voll Verwunderung
schaut er mich an
und fragt
wie redest du?
Svako drom kana o djes
nevo bijandol thaj barol
dav me leja svato
ande mori phađerdi
njamcicko
čhib.
Dićhel ma
buvljarde jakhenca
thaj pučhel ma:
Sar des tu svato?
Meine Heimat
ist dort wo ich bin.
Manchmal ist es ein Berg
eine Blumenwiese
eine Scheune
und manchmal ein Stall
für Pferde oder
Kühe.
Strohgeschmückt
bin ich und
in Spinnweben gehüllt.
An mir klebt
der Geruch
von Pferde- und Kuhmist
Dort bin ich zu Hause.
Moro ćherutnipe
si kote kaj sem.
Kana thaj kana si jekh plajin
jekh luluđenđi bar
jekh šupa
aj kana thaj kana
si e guruvenđi thaj
grastenđi štala.
Sulumasa thaj
paukose thavenca
vulime sem.
Pe mande si e khand
katar e grastenđe
thaj guruvenđe gošnja.
Godothe sem ćhere.
Stimmen zum Buch:
»Einen sehr speziellen Aspekt der Roma-Literatur kann man jetzt im schmalen Gedichtband Vom Wegrand des aus der Nähe von Belgrad stammenden und in Wien lebenden Schriftstellers Ilija Jovanović entdecken. Die magische Beschwörung der Welt durch die Wörter soll in seinen Gedichten wirken, sie sind wie Amulette gegen das Unheil und erfüllen diesen religiös-poetischen Zweck in schöner Ökonomie.« (Paul Jandl in der Neuen Zürcher Zeitung)
Ilija Jovanović, geboren 1950 in einer Romasiedlung in Rumska (Serbien). Durch seinen Vater, der als Partisan Lesen und Schreiben gelernt hat, entwickelt er schon als Kind eine Leidenschaft für Literatur, der er lesend und schreibend sein Leben lang treu bleibt. Grund- und Hauptschule, Beschäftigung als Landarbeiter. 1971 Übersiedlung nach Wien, Arbeit in einer Metallfabrik, später in Krankenhäusern als Apothekenlaborant, Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft. Langjähriger Obmann des Romano Centro in Wien. Neben zahlreichen literarischen Publikationen in Zeitschriften und Anthologien erschienen bisher zwei Gedichtband Bündel - Bud¸o (EYE Verlag 2000) und Vom Wegrand - Dromese rigatar (Drava Verlag 2006). Ilija Jovanović, der im November 2010 mit dem bedeutenden Exil-Lyrikpreis ausgezeichnet worden war, starb am 25. November 2010 im Alter von 60 Jahren.